Haben Praktikanten einen Anspruch auf Mindestlohn? Grundsätzlich ja. Das Gesetz sieht aber im § 22 MiLoG einige Ausnahmen von diesem Grundsatz vor. Ob im konkreten Fall der Lohnanspruch besteht ist aber nicht so leicht zu beantworten. Diese Frage beschäftigte aktuell (aber nicht zum ersten Mal) auch das Bundesarbeitsgericht.
Was ist passiert?
Die Klägerin wollte sich auf einen Platz für ein Medizinstudium an einer staatlich anerkannten privaten Universität bewerben. Die Voraussetzung für die Aufnahme des Studiums war allerdings, dass sie zuvor ein 6-monatiges Praktikum in der Krankenpflege absolviert. Aus diesem Grund wandte sich die Klägerin an die Beklagte mit der Frage, ob sie in ihrem Klinikum ein solches Praktikum absolvieren könnte. Die Beklagte bot zunächst ein 3-monatiges Praktikum an. Erst nachdem die Klägerin eine Bestätigung der Universität vorlegte, dass ein 6-monatiges Praktikum eine Voraussetzung für die Aufnahme des Studiums darstellt, willigte die Beklagte ein. In der Folgezeit durfte die Klägerin vom 20. Mai 2019 bis 29. November 2019 das Praktikum an der Krankenpflegestation in dem Klinikum der Beklagten absolvieren.
Nach der Beendigung des Praktikums verlangte die Klägerin die Zahlung der Vergütung in Höhe von insgesamt 10.269,85 € brutto und berief sich auf MiLoG.
§ 22 MiLoG stellt einerseits fest, dass Praktikantinnen und Praktikanten einen Anspruch auf Mindestlohn haben, umfasst gleichzeitig aber einen Ausnahmekatalog, wann der Mindestlohn nicht gezahlt werden muss.
Die Klägerin war der Auffassung, dass Praktika wie das von ihr erbrachte, nicht unter die Regelung des § 22 Abs. 1 S.2 Nr. 1 MiLoG falle. Es sei schließlich kein Praktikum das im Rahmen eines bereits aufgenommenen Studiums erbracht werde. Vielmehr handle es sich um ein Praktikum „für die Aufnahme eines Studiums“ nach § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 MiLoG das jedoch maximal drei Monate dauern dürfe.
BAG: Auch ein Praktikum vor dem Studium kann verpflichtend sein.
Bereits in den vor Instanzen scheiterte die Klägerin. Diese Entscheidungen hat das BAG nun bestätigt. Die Klägerin falle nicht unter den Anwendungsbereich des MiLoG. Das geleistete Praktikum werde von der Regelung des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 MiLoG erfasst. Anders als die Klägerin meinte, seien von dieser Norm nicht nur die obligatorischen Praktika während des Studiums, sondern ebenfalls diejenigen erfasst die als Voraussetzung für die Aufnahme des Studiums vorgeschrieben sind. An diesem Ergebnis ändere auch der Umstand nichts, dass es sich vorliegend um eine Regelung aus der Studienordnung einer privaten Universität gehandelt habe. Diese sei staatlich anerkannt. Das Praktikum als Zugangsvoraussetzung sei im Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichzustellen. Damit werde gewährleistet, dass durch das Praktikumserfordernis in der Studienordnung nicht der grundsätzlich bestehende Anspruch auf den Mindestlohn für Praktikanten sachwidrig umgangen werden.
Fazit
Eine weitere Entscheidung des BAG zu dem Thema Mindestlohn im Praktikum. Bereits 2019 hat das BAG (30.01.2019 – 5 AZR 556/17) entschieden, dass im Falle eines unterbrochenen Praktikums kein Anspruch auf Mindestlohn bestehe, wenn die Praktikumsdauer ohne den Unterbrechungsphasen nicht über eine längere Zeit als drei Monate gedauert habe.
Die aktuelle Entscheidung stellt klar, dass diejenigen Praktika die zwingende Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums sind, als Pflichtpraktika i.S. des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 MiLoG einzuordnen sind. Die Entscheidung ist nicht nur für die Unternehmen sondern auch für die Praktikanten eine gute Nachricht. Denn wäre das MiLoG in diesen Fällen anwendbar, würde die Bereitschaft der Betriebe, derartige Praktika anzubieten höchstwahrscheinlich erheblich sinken.
Quelle: Bundesarbeitsgericht Presse Mitteilung 1/22
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