Am 01. Oktober ist es soweit: Der gesetzliche Mindestlohn wird von 10,45 EUR auf 12,00 EUR pro Stunde angehoben. Die Konsequenzen dieses Anstiegs gehen weit über die bloße Gehaltserhöhung für die Mitarbeiter hinaus. Für welche Beschäftigten der Mindestlohn gilt, wer die Höhe festlegt und was die Arbeitgeber bei dem Thema unbedingt beachten müssen, hier für sie zusammengefasst.
Wie hoch ist der Mindestlohn und wer entscheidet darüber?
Ab dem 01.01.2015 wurde in Deutschland festgelegt, dass die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern pro Arbeitsstunde einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 EUR brutto zahlen müssen. In den Folgejahren stieg dieser Betrag noch mehrfach an: allein im Jahr 2022 gab es bereits zwei Erhöhungen: auf 9,82 EUR (zum 01.01.2022) und auf 10,45 EUR (zum 01.07.2022).
Nun wird der Mindestlohn zum 01.10.2022 auf 12,00 EUR angehoben. Mit einer Steigerung von fast 15% gegenüber dem bisherigen Betrag ist das bislang die größte Erhöhung.
Nicht nur die Größenordnung der aktuellen Erhöhung, sondern auch die Art und Weise ihres Zustandekommens ist unüblich: sie erfolgt durch eine einmalige Änderung des Mindestlohngesetzes und nicht wie bisher als Erlass einer Verordnung durch die Bundesregierung auf Empfehlung der Mindestlohnkommission nach dem Mindestlohngesetz.
Über die künftigen Anhebungen entscheidet wieder die Mindestlohnkommission. Die nächste Anpassung darf allerdings erst zum 30.07.2023 entschieden und für die Zeit ab dem 01.01.2024 ausgeführt werden. Bis Januar 2024 wird also keine weitere Erhöhung des Mindestlohns kommen.
Für wen gilt der Mindestlohn und für wen nicht?
Erfasst werden alle Arbeitnehmer, die in Deutschland arbeiten. Darunter fallen also auch die Minijobber, vorübergehend beschäftigte Saisonarbeitskräfte und auch die Arbeitnehmer aus dem Ausland.
Der Mindestlohn gilt nicht für Jugendliche unter 18 Jahren ohne Berufsausbildung, Azubis, Ehrenamtler und Langzeitarbeitslose in den ersten 6 Monaten der Beschäftigung.
Was ist mit den Praktikanten?
Da Praktikanten grundsätzlich als Arbeitnehmer im Sinne des Mindestlohngesetzes gelten, haben sie einen Anspruch auf den Mindestlohn. Hiervon macht das Gesetz allerdings Ausnahmen. Der Mindestlohn muss demnach nicht gezahlt werden, wenn es sich um ein Pflichtpraktikum, ein dreimonatiges Orientierungs- oder ein Begleitpraktikum handelt. Wann welches Praktikum vorliegt, ist in der Praxis oft nicht einfach zu beurteilen. Orientierungshilfe bieten hier einige gerichtliche Entscheidungen zu dieser Thematik. Aus Arbeitgebersicht ist vor allem bei Überschreitung der dreimonatigen Grenze Vorsicht geboten!
Mindestlohn und Minijob: Was ist hier zu beachten?
Wie bereits erwähnt, haben auch Minijobber Anspruch auf den Mindestlohn. Dem Gesetzgeber war jedoch bewusst, dass die Anhebung des Mindestlohns auf 12,00 EUR in vielen Beschäftigungsverhältnissen zur Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze von 450,00 EUR führen kann. Bereits mit der Anhebung des Mindestlohns auf 10,45 EUR war teilweise eine Reduzierung der Arbeitszeit der einzige Weg, um die 450,00 EUR Grenze nicht zu überschreiten. Bei der aktuellen Gesetzesänderung begegnet der Gesetzgeber diesem Problem mit einer Dynamisierung der Geringfügigkeitsgrenze. An Stelle eines festen Geringfügigkeitsbetrages (bislang 450,00 EUR) wird ab dem 01.10.2022 bei der Festlegung der Geringfügigkeitsgrenze wie folgt berechnet:
Mindestlohn/Stunde * 130 / 3 = Geringfügigkeitsgrenze
Damit erhöht sich der Betrag, der im Rahmen eines Minijobs verdient werden kann automatisch mit der Anhebung des Mindestlohns. Beim Mindestlohn von 12,00 EUR/Stunde liegt die Geringfügigkeitsgrenze ab dem 01.10.2022 bei 520,00 EUR (12 * 130 / 3 = 520).
Achtung! Minijobs sind nicht per se rentenversicherungsfrei.
Minijobber sind grundsätzlich rentenversicherungspflichtig! Das bedeutet, dass sie in der Rentenversicherung kraft Gesetzes versichert sind und sich an der Beitragszahlung beteiligen müssen. Sie haben allerdings die Möglichkeit, die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung zu beantragen. Die entsprechende Erklärung müssen sie gegenüber dem Arbeitgeber abgeben. Dieser muss den Arbeitnehmer über diesen Sachverhalt im besten Fall direkt im Arbeitsvertrag aufklären. Im Arbeitsvertrag kann zudem direkt die entsprechende Erklärung bzgl. der Befreiung vorgesehen werden. In der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sind geringfügig Beschäftigte versicherungsfrei. Kehrseite dieser Versicherungsfreiheit ist allerdings, dass die Minijobber beispielsweise keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben.
Was passiert, wenn die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird?
Zunächst einmal ist für die Frage des Geringfügigkeitsstatus der Jahreswert von 6.240,00 EUR maßgeblich. Wenn ein Minijobber also beispielsweise in einem Monat 650,00 EUR, im Folgemonat dafür aber lediglich 390,00 EUR verdient, bleibt der Minijobstatus erhalten.
Auch die Überschreitung dieses Jahresbetrages führt nicht automatisch zur Statusänderung, solange es sich um ein gelegentliches (maximal zweimaliges) und unvorhersehbares Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze handelt und in dem Monat nicht das Doppelte der Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird.
Beispiel:
Eine Aushilfskraft in der Gastronomie, die normalerweise 520,00 EUR/Monat verdient, wird gebeten, eine kranke Kollegin zu vertreten und verdient in diesem Vertretungsmonat 1.040,00 EUR. Da die Überschreitung nicht vorhersehbar war, nur einmal passierte und das Doppelte der Geringfügigkeitsgrenze zwar erreicht, aber nicht überschritten wurde, bleibt die Beschäftigung geringfügig.
Wenn die Überschreitung aber öfter als zweimal innerhalb eines Jahres passiert, nicht unvorhersehbar war oder die Geringfügigkeit um mehr als das Doppelte überschritten wird, entfällt des Geringfügigkeitsstatus.
Was passiert mit den Midijobbern die 450,01 bis 520 Euro verdienen?
Die Verschiebung der Geringfügigkeitsgrenze führt dazu, dass die Midijobber, die bis zum 30.09.2022 im Monat durchschnittlich 450,01 bis 520,00 Euro verdienen, ab dem 01.10.2022 die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreiten. Sie werden aber nicht automatisch zu Minijobbern, sondern behalten vorerst ihren (Versicherungspflichtigen) Status. Für sie gelten Übergangsregelungen wonach sie in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und in der Arbeitslosenversicherung versichert bleiben, allerdings bis längstens zum 31.12.2023. Für sie gelten die bisherigen Regelungen für einen Midijob bis Ende 2023 also weiterhin.
Bezüglich der Höhe der Beiträge wird weiterhin die bis zum 30.09.2022 maßgebende Formel für den Übergangsbereich angewendet. Die betroffenen Arbeitnehmer können sich aber in jedem einzelnen Versicherungszweig von der Versicherungspflicht über einen entsprechenden Antrag bei ihrem Arbeitgeber befreien lassen.
Kann im Wege einer individuellen Absprache mit dem Arbeitnehmer ein geringerer Lohn vereinbart werden?
Nein, das ist nicht möglich! Der Mindestlohn ist zwingend zu beachten, weil er kraft Gesetz unabdingbar ist. Die Unverzichtbarkeit hat eine weitere Konsequenz: In den Arbeitsverträgen werden häufig Verfallsklauseln vereinbart, wonach die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach Ablauf einer bestimmten Zeit nicht mehr geltend gemacht werden können. Wenn vor dem vereinbarten Verfall die Ansprüche auf den Mindestlohn nicht explizit ausgeschlossen werden, führt dies regelmäßig zu einer Gesamtunwirksamkeit der Klausel.
Was droht bei Verstößen?
Die Nichteinhaltung des Mindestlohns kann ein Bußgeld von bis zu 500.000 EUR zur Folge haben. Aber auch beispielsweise ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht kann mit einem empfindlichen Bußgeld von bis zu 30.000 EUR geahndet werden.
Fazit
Für die Arbeitnehmer ist die Erhöhung des Mindestlohns natürlich eine gute Nachricht. Für die Arbeitgeber bedeutet dies eine weitere finanzielle Belastung, zusätzlich zu den ohnehin schon gestiegenen Kosten. Dies darf aber keinesfalls zu Lohnzahlung unterhalb des Mindestlohns führen, weil dann damit zu rechnen ist, dass der betroffene Arbeitnehmer spätestens beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine entsprechende Nachzahlung fordern, wobei diese in Anbetracht der übrigen drohenden Konsequenzen aber das kleinere Problem darstellen dürfte. Die Arbeitgeber sollten zudem bei denjenigen Beschäftigten (z.B. Praktikanten) bei denen die Geltung des Mindestlohns nicht zwingend ist, besonders vorsichtig sein und auf eine entsprechende Dokumentation und Einhaltung der geltenden Regeln achten.